Sie sind ein Vorbild für die gelungene Integration von chronisch kranken Menschen im Berufsleben: Am heutigen Freitag verlieh die Initiative RheumaPreis in Mannheim den RheumaPreis 2018 an zwei Arbeitnehmerinnen, ihre Arbeitgeber und eine Selbstständige. Damit würdigte die Initiative bereits zum 10. Mal herausragende Lösungen, die es Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ermöglichen, weiter am Berufsleben teilzuhaben. Ein Grußwort bei der Verleihung sprach der parlamentarische Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart.
„Mein Motto war und ist es, mich von Rheuma nicht unterkriegen zu lassen“, sagt die Preisträgerin Ines Brodbeck. Seit ihrem fünften Lebensjahr leidet die heute 36-Jährige aus Schönaich an rheumatoider Arthritis. Gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber, dem Landratsamt Böblingen, schuf die Verwaltungsangestellte in der Rechenstelle des Sozialamts die Rahmenbedingungen, um trotz der Erkrankung ihren Beruf ausüben zu können. „Frau Brodbeck verfügt über mehrere Berufsausbildungen – diese Qualifikationen haben ihr den Weg in das Landratsamt geebnet“, sagt Bettina Wagner, Personalamtsleiterin des Landratsamts Böblingen. „Bereits im Vorstellungsgespräch ist sie sehr offen mit ihrer rheumatischen Erkrankung umgegangen und hat von sich aus über mögliche Folgen informiert. Diese Ehrlichkeit und die innere Einstellung von Frau Brodbeck, trotz gesundheitlicher Belastung – oder gerade deshalb – weiter leistungsbereit zu sein, haben uns sehr imponiert.“
„Die drei Preisträgerinnen und ihre Arbeitgeber haben Vorbildcharakter über ihre Branche und ihren Standort hinaus“, betonte Dr. Thomas Gebhart während der Preisverleihung. „Ich freue mich, dass die Initiative RheumaPreis bereits im zehnten Jahr die Integration chronisch kranker Menschen im Berufsleben würdigt und damit fördert.“
Der mit jeweils 3 000 Euro dotierte RheumaPreis soll zu mehr Offenheit im Umgang mit der Erkrankung ermutigen und dazu beitragen, dass ein aktives Berufsleben für Menschen mit Rheuma zur Selbstverständlichkeit wird. „Ich glaube, die größte Erkenntnis für Menschen mit Rheuma ist, dass es der beste Selbstschutz ist, offen mit der Erkrankung umzugehen“, sagte Professor Dr. med. Matthias Schneider vom Universitätsklinikum Düsseldorf und Mitinitiator des RheumaPreises im Rahmen der Preisverleihung. „Es gibt viele Beispiele, bei denen der Arbeitgeber nicht nur die gute Arbeitskraft sieht und unterstützt, weil er sie halten will, sondern den ganzen Menschen im Blick hat.“
„Die Initiative RheumaPreis will das gesamtgesellschaftliche Engagement für Menschen mit Rheuma fördern und besonders die Situation der Betroffenen am Arbeitsplatz verbessern. Arbeitgeber sollen für die Chancen sensibilisiert werden, die in der Beschäftigung von Menschen mit Rheuma liegen und deren Fähigkeiten optimal einsetzen und fördern“, betonte auch die Schirmherrin des RheumaPreises, Donata Apelt-Ihling, Vorstandsmitglied der Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e.V., Stuttgart, und Gesellschafterin der Alfred Apelt GmbH in Oberkirch. „Daher nehmen wir die Initiative gerne zum Anlass, uns als Arbeitgeber noch stärker für die Belange von Menschen mit chronisch-entzündlichen Krankheiten wie Rheuma einzusetzen.“
Die Diagnose rheumatoide Arthritis zwang Preisträgerin Michaela Frank aus Winnenden im Alter von 40 Jahren, ihren Beruf nochmals völlig neu zu überdenken. Als erstmals Symptome auftraten, arbeitete die gelernte Jugend- und Heimerzieherin in der Krankenhausküche und dem Mitarbeitercasino im Klinikum Schloß Winnenden. Dies war krankheitsbedingt bald nicht mehr möglich. In einem Gespräch mit dem Personalleiter, einer Personalrätin, dem Schwerbehindertenvertreter und einer Mitarbeiterin des Integrationsfachdienstes wurden gemeinsam Ideen für innerbetriebliche Umsetzungsmöglichkeiten besprochen. „Auch über eine Umschulung zur IHK-geprüften Bürokauffrau haben wir uns damals ausgetauscht“, erzählt Frank. „Ich selbst hätte mir das mit 40 Jahren nicht mehr zugetraut – meine Vorgesetzten und das Integrationsteam aber schon!“ Heute arbeitet die 50-Jährige nach der erfolgreichen Umschulung zu 70 Prozent als Personalratssekretärin und Mitarbeiterin im Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM): „Ich fühle mich am jetzigen Arbeitsplatz nicht als krank geduldet, sondern als ganz normale Mitarbeiterin – das war und ist mein Ziel! Meine chronischen Krankheiten sind ein Handicap, aber sie haben mir neue Möglichkeiten eröffnet, mich gefordert und dadurch gefördert.“ „Für uns ist jeder Mitarbeiter als Mensch wertvoll, insbesondere natürlich auch vor dem Hintergrund einer guten Mitarbeiterbindung und -förderung. Wir bemühen uns soweit möglich, unsere Mitarbeiter in ihrer individuellen Situation zu unterstützen, besonders dann, wenn Sie mit chronischen Erkrankungen zu kämpfen haben – Frau Frank hat es uns durch ihre nicht selbstverständliche und beeindruckende Flexibilität und Offenheit sehr erleichtert, gemeinsam eine gute Lösung zu finden“, sagt Christian Graziosa, Personaldirektor des Klinikums Schoß Winnenden.
Bewegung und Sport haben schon immer das Leben von Preisträgerin Anja Karlstetter aus Tornesch bestimmt. Mit 40 Jahren erkrankte sie an einer mikroskopischen Polyangiitis. „Als die Ärzte mir in der Klinik dann mitteilten, dass ich aufgrund der Erkrankung meinen Sport und damit auch meinen Beruf an den Nagel hängen könnte, war das ein Schock.“ Eine nahestehende Kollegin, mit der Karlstetter schon lange der Traum einer Selbstständigkeit verband, besuchte sie in dieser schwierigen Zeit regelmäßig im Krankenhaus. Sie versprach, gemeinsam mit ihr diesen Traum zu realisieren. „In dieser sehr verzweifelten Lage haben mir die Vorstellung eines gemeinsamen Fitnessstudios und die große Liebe meiner Familie die Kraft gegeben, wieder auf die Beine zu kommen“, sagt Karlstetter. Auch ihre behandelnde Rheumatologin hatte sie darin bestärkt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. „Diesen September feiert unser Studio ,inBalance‘ zehnjähriges Jubiläum – und in den letzten Jahren fiel ich zum Glück auch kaum mehr aus. Ich unterrichte inzwischen wieder fast alles und bin sehr dankbar dafür.“ Das Studio wurde von den beiden Betreiberinnen bewusst gesundheitsorientiert ausgerichtet und ist heute eine Anlaufstelle für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen. „Die schwere Erkrankung hat mir die Chance gegeben, mir meinen Lebenstraum zu erfüllen“, resümiert Karlstetter.