„Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich realisiert hatte, dass es nun mal so ist und dass der ‚Bechti‘ zu mir gehört“, erzählt der Musiker heute. „Und jetzt – ziemlich genau 25 Jahre später – bin ich sogar dankbar für diese Notbremse!“
Denn Achim Rinderle sieht seine chronische Erkrankung keinesfalls als schweren Schicksalsschlag oder gar als eine Art Strafe. Vielmehr empfindet er sie als größte Chance seines Lebens, die ihn innerlich enorm beweglich werden ließ, auch wenn er körperlich stetig an Beweglichkeit verlor. „Wenn ich weiter so durchgepowert hätte, vielleicht hätte ich dann heute schon Burnout?“ Und so blickte der leidenschaftliche Musiker in sein Inneres, hörte auf seinen Körper, lernte, dass der Schmerz ein guter Lehrer ist, der ihm neue Wege aufzeigen konnte –, und dass sein Beruf tatsächlich die beste Therapie war. „Ich sprang zwar nicht mehr wie ein junges Reh auf die Bühne, eher wie ein Rehbock im besten Alter“, erzählt der heute 48-Jährige lachend. „Aber ich lernte, dankbar zu sein, wenn mir Bandmitglieder halfen oder wenn ich auf einem Barhocker musizieren konnte, statt stundenlang zu stehen.“ Auf Konzertreise ging es nun mit dem Rucksack und Wanderstöcken, statt mit Rollkoffer. Die ursprünglich geplante Erlebnispädagogik war körperlich zu anstrengend, stattdessen übernahm Achim Rinderle eine Stelle als Instrumentallehrer in einer Musikschule.
Geduld und Verständnis von Arbeitgeber und Schülern
Inzwischen lebt Achim Rinderle im ländlichen Allgäu und genießt die Ruhe. Hier sei das Leben weniger egoistisch und stressig, der Umzug von der Stadt aufs Land hätte unglaublich viel Druck aus seinem Leben genommen. Heute fährt er bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad überall hin. „Dass ich das einmal so zu schätzen weiß, hätte ich früher nie gedacht.“ Die Live-Auftritte seien hier natürlich lokaler und auch seltener geworden, aber dafür liebt er seine Tätigkeit als Lehrer an der Musikschule Oberallgäu-Süd genauso wie seine künstlerische Arbeit als Musiker. Seit 2011 unterrichtet er in Immenstadt Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Klarinette und Saxophon. „Ich bin so froh, dass ich mein Wissen, mein Können und meine Liebe zur Musik weitergeben darf und bekomme so viel zurück an Vertrauen, Offenheit und Dankbarkeit“, sagt er. Die Leiter der Musikschule, aber auch die Kollegen und seine Schüler brächten ihm immer Geduld und Verständnis entgegen. „Sie sehen nur meine Fähigkeiten und nicht meinen Buckel!“ So war es auch selbstverständlich, dass er den Unterricht im Erdgeschoss der Musikschule abhalten konnte, als ihm das Treppensteigen starke Schmerzen bereitete. Achim Rinderle stellte sich eine Bügelhilfe in den Übungsraum, um beim Unterricht nicht stehen zu müssen. Auch ein weiterer CD-Player wurde angeschafft, sodass er ihn nicht von Raum zu Raum tragen muss. „Wir unterstützen natürlich, wo immer es nötig ist“, sagt Tobias Heinrich, musikalischer Leiter der Musikschule Oberallgäu-Süd. „Aber Herr Rinderle hat so ein offenes und positives Auftreten, dass seine Krankheit gar keine Chance hat, Hauptthema zu werden.“
Musik, Meditation und positives Denken
Auch mit seinen Musikschülern spricht der Allgäuer offen über seine Erkrankung. Wenn Achim Rinderle für einige Wochen eine Reha-Einrichtung besucht und die Klarinetten- oder Saxophonstunden absagen muss, haben seine Schüler immer Verständnis und wünschen ihm alles Gute. Während eines Krankheitsschubs nimmt der Musiker auch gering dosierte Medikamente. Meistens braucht er sie jedoch kaum. Stattdessen hilft ihm die Meditation – teilweise auch in Kombination mit der Musik. Und was ihm selbst so gut hilft, möchte er gerne auch anderen weitergeben. Als er bei einem Auftritt Klarinette spielte und gleichzeitig meditierte, hätte es die Zuhörer unglaublich berührt und für Entspannung gesorgt, sodass er diese „therapeutischen“ Möglichkeiten gerne ausbauen würde, zum Beispiel zur Entspannung der Gäste in Wellness-Hotels oder auch in Altersheimen und Hospizen.
Einen Tipp für andere Betroffene? Für Achim Rinderle ist das ganz klar: „Stress möglichst vermeiden, ab und zu einfach dasitzen, in sich hineinhören, den Körper spüren, mit sich und der Welt zufrieden sein und sich mit Menschen umgeben, die einem Mut machen, aufbauend und positiv sind.“
„Ich freue mich sehr, dass Herr Rinderle den RheumaPreis gewonnen hat! Er ist ein geschätzter Mitarbeiter und ein wunderbarer Musiker mit einem sehr guten Verhältnis zu seinen Schülerinnen und Schülern. Die Krankheit ist in unserem täglichen Ablauf eigentlich gar kein Thema. Er ist so positiv, sehr engagiert und behandelt das Ganze so, dass keine Einschränkungen in unserer Zusammenarbeit und seinem Unterrichten zu Tage treten.“
Tobias Heinrich, musikalischer Leiter der Musikschule Oberallgäu-Süd