RheumaPreis 2023

Im Folgenden stellen wir Ihnen die aktuellen sowie die Preisträger der vergangenen Jahre vor. Klicken Sie auf die Jahreszahl oder die Person, um mehr über unsere Preisträger zu erfahren.

Manuela De Palma

Manuela De Palma: „Dank meiner Arbeit und dank meines Teams fühle ich mich angenommen und angekommen!“

Wann genau Manuela De Palmas Rheuma das erste Mal auftrat, weiß keiner so genau. Denn die heute 55-jährige Stuttgarterin hat einen langen beschwerlichen Weg hinter sich. Sie kam mit einer sogenannten infantilen Cerebralparese zur Welt, einer Schädigung des Gehirns, die zu bleibenden Störungen im Haltungs- und Bewegungsapparat führt. Bei Manuela De Palma äußert sich das vor allem in Form einer linksseitigen Lähmung und einer unregelmäßig ausgebildeten und teilweise verkrampften Muskulatur.

„Ich bin schon immer daran gewöhnt, mit körperlichen Einschränkungen zu leben und jede Woche zur Physiotherapie zu gehen“, erzählt Manuela De Palma. „Schmerzen gehörten seit jeher einfach mit dazu.“

Symptome werden zur Belastung

Als junge Erwachsene machte Manuela De Palma eine Ausbildung zur Bürokauffrau und zur Übersetzerin für Englisch. Beides liegt ihr, sie ist sehr gewissenhaft und genau, kann gut organisieren und kommunizieren. So startete sie ins Berufsleben, war über Jahre für international aktive Unternehmen tätig wie auch als selbstständige Dolmetscherin und Übersetzerin. Doch die Veränderungen an ihrem Haltungs- und Bewegungsapparat sowie ihre Schmerzen wurden zunehmend stärker. Bald bekam die Stuttgarterin zwei künstliche Hüftgelenke. Hinzu kamen Schwellungen und Schmerzen an den Fuß- und Handgelenken. Auch Hautprobleme traten vermehrt auf. Manuela De Palma hielt es für Überlastungserscheinungen. Schließlich wurden Arme, Beine sowie Rückenmuskeln aufgrund der linksseitigen Lähmung unterschiedlich stark belastet. Doch die körperliche Erschöpfung wurde immer größer, das lange Sitzen am Schreibtisch fiel ihr auffallend schwer und auch die Seele litt mit. „Ich habe nur noch unter Schmerzen gearbeitet, war unglücklich, depressiv und gereizt“, sagt die 55-Jährige. „Teilweise musste ich trotz starker Medikamente mit einem Rollator zur Arbeit gehen, da die Schmerzen im Rücken unerträglich waren.“

Späte Diagnose Rheuma

Erst im Jahr 2019, als Manuela De Palma zusätzlich heftige Fieberschübe bekam, erhielt sie eine Diagnose für ihr Leiden: Sie hat eine Psoriasis-Arthritis, eine Autoimmunerkrankung, bei der Zellen des Immunsystems fälschlicherweise den eigenen Körper angreifen. Die rheumatische Krankheit tritt in wiederkehrenden Schüben auf und zeigt sich vor allem durch Entzündungen der Haut und der Gelenke. Auch die Sehnenscheiden und die Knochenansätze können betroffen sein. „Der Publikumsverkehr, die fehlende Struktur an meinem Arbeitsplatz und die Belastung durch das lange Sitzen und die wenigen Erholungspausen machten mir so zu schaffen, dass ich meine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte“, erzählt Manuela De Palma heute. „Meine damaligen Arbeitgeber hatten kein Interesse an meiner Diagnose und achteten nicht auf besondere gesundheitliche Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter.“

Stärken wichtiger als Schwächen

Das ist heute ganz anders. Seit 2022 arbeitet Manuela De Palma beim Baden-Württembergischen Landesverband von PHYSIO-DEUTSCHLAND. Dort betreut sie Physiotherapeuten telefonisch oder per E-Mail und berät die Verbandsmitglieder zu Themen wie Abrechnung, Organisation oder Selbstständigkeit. Sie hat ein ruhiges Büro, kann Erholungspausen einlegen, bei Bedarf auch im Homeoffice arbeiten oder kurzfristig eine Auszeit nehmen. „Vor allem aber sind meine Behinderung und meine rheumatische Erkrankung Nebensache“, sagt Manuela De Palma. „Meine Stärken stehen im Vordergrund, nicht meine Schwächen.“ Der offene, partnerschaftliche Umgang, die gegenseitige Rücksichtnahme und Unterstützung seien bei PHYSIO-DEUTSCHLAND selbstverständlich. „Ich fühle mich einfach pudelwohl an meiner Arbeitsstelle, ich fühle mich angekommen und angenommen.“ Hannah Hecker ist Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg von PHYSIO-DEUTSCHLAND und Manuela De Palmas Vorgesetzte. Für sie ist die Mitarbeiterin dank ihres Fachwissens und ihrer sympathischen Art eine absolute Bereicherung: „Die Zusammenarbeit gelingt trotz körperlicher Einschränkungen sehr gut, da wir ständig im Austausch sind, uns regelmäßig besprechen und zum Beispiel die Arbeitszeit flexibel anpassen.“

Aufgaben als etwas Positives sehen

Manuela De Palma ist unglaublich dankbar, dass ihre Arbeitgeber ihr trotz ihrer Erkrankungen die Chance gegeben haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und dass ihre Kollegen sie so nehmen, wie sie ist. „Es hilft mir ungemein, in einem so großartigen Team zu arbeiten“, sagt sie. „Die Arbeit sorgt dafür, dass es mir besser geht.“ Denn so denke man nicht ständig darüber nach, was schwierig ist. Es drehe sich nicht alles um die Krankheit oder die Schmerzen. Die Arbeit fungiere als Ablenkung und rücke die Probleme in den Hintergrund. Doch Manuela De Palmas Optimismus und ihre große Empathie zeigen sich nicht nur im Arbeitsleben. Täglich an ihrer Seite ist Bonina, ihre kleine Mischlingshündin, die sie aus einer portugiesischen Tötungsstation gerettet hat. „Sie ist mein Familienmitglied, mein Seelentröster, mein Motivator und meine Aufgabe“, erzählt die Stuttgarterin. Man bleibe aktiv, könne sich nicht hängen lassen und müsse dem Tier einen zuverlässigen, geregelten Tagesablauf und viel Aufmerksamkeit bieten. Denn auch der hübsche Vierbeiner aus Portugal hatte es nicht leicht. Nach einer schweren Zeit in Portugal musste die Hündin in Stuttgart eine Bandscheibenoperation über sich ergehen lassen und benötigte ebenfalls eine Physiotherapie. Bonina begleitet die Rheumatikerin täglich ins Büro, entweder zu Fuß oder wenn eine der beiden schlecht laufen kann, dann nehmen sie eben den Bus. „Auch dass ich meine Hündin mit ins Büro bringen darf, ist für uns beide eine große Erleichterung. Sie ist sehr anhänglich und hat mich bei sich, und ich muss sie nicht zusätzlich zu einer Pflegestelle bringen.“ Das alles trägt dazu bei, dass Manuela De Palma ihre Arbeit nicht mehr als Stress empfindet, sondern als etwas überaus Positives. Und das wiederum sorge dafür, dass sie tatsächlich auch weniger Schmerzen habe.

„Es hilft mir ungemein, in diesem tollen Team zu arbeiten. Denn dadurch rücken meine Schmerzen und Probleme in den Hintergrund. An schlechten Tagen kann ich meinen Kollegen offen sagen, dass es mir nicht so gut geht. Das finde ich wichtig, damit sie mein Verhalten oder meine Stimmung besser einschätzen können. Wichtig sind aber auch Ruhe und Struktur im Arbeitsumfeld – und natürlich Optimismus! Ich sehe es zum Beispiel sogar als Vorteil, dass ich von Geburt an körperliche Einschränkungen habe. So bin ich es gewöhnt, damit umzugehen, und weiß, dass es nötig ist, immer aktiv zu bleiben.“

Manuela De Palma

 

„Wir freuen uns über die Auszeichnung mit dem RheumaPreis. Manuela De Palma ist das beste Beispiel, dass eine Berufstätigkeit trotz Rheuma sehr gut gelingen kann. Sehr gerne möchten wir dazu beitragen, dass der offene Umgang mit Rheuma im Arbeitsleben erleichtert wird, und zeigen, dass mit der Schaffung des passenden Arbeitsumfeldes die Berufstätigkeit auch langfristig gewährleistet werden kann.“

Hannah Hecker, Vorstandsvorsitzende Landesverband Baden-Württemberg, PHYSIO-DEUTSCHLAND

André Lorig

André Lorig: „Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen – das gilt für meine Arbeit, aber auch für die Erkrankung.“

André Lorig war Marathonläufer, Ausdauer und Durchhaltevermögen stecken ihm im Blut. Und auch wenn er aufgrund seiner Rückenschmerzen irgendwann nur noch langsam joggen konnte und heute in gemäßigtem Tempo spazieren geht, so kommt es für den 53-Jährigen aus dem saarländischen Ottweiler nicht infrage, den Kopf in den Sand zu stecken.

Denn selbst wenn André Lorig über seine Erkrankung erzählt, gelingt es ihm, stets auch einen optimistischen Blickwinkel einzunehmen. „Ich hatte Glück im Unglück“, sagt er. „Die ernsthaften Beschwerden trafen mich erst im Alter von 41 Jahren – und ich erhielt schnell meine Diagnose.“ André Lorig leidet unter Morbus Bechterew, einer Form von Rheuma, die sich vor allem in Form von Entzündungen an der Wirbelsäule äußert und häufig an den sogenannten Iliosakralgelenken beginnt. Der Saarländer war jedoch die ständigen Rückenschmerzen gewöhnt, schob sie seit jungen Jahren auf seine Körpergröße und sein Hohlkreuz. Den ersten Schritt zur Diagnose machte daher ausgerechnet eine Augenärztin, die André Lorig aufgrund einer hartnäckigen Augenentzündung aufsuchte. Die Ärztin vermutete damals sofort eine Autoimmunerkrankung und überwies den Patienten zu einem Internisten und im Weiteren zum Rheumatologen. Und tatsächlich breiten sich die typischen Rückenschmerzen nicht selten von der Lendengegend bis in die Brust- und Halswirbel aus. Häufig sind größere Gelenke wie Schultern, Knie oder Hüfte ebenfalls betroffen. Aber eben auch Entzündungen der Regenbogenhaut im Auge sind mögliche Symptome.

Wichtig: positive Haltung

Im Durchschnitt machen Patientinnen und Patienten mit einem Morbus Bechterew einen Leidensweg von sieben Jahren durch, bis sie ihre Diagnose erhalten. André Lorig will unbedingt dazu beitragen, diese qualvolle Zeit der Betroffenen zu verkürzen. „Ich möchte die Erkrankung daher bekannter machen, sie auch bei Medizinern vermehrt ins Bewusstsein rücken“, sagt er. Er wurde Mitglied in der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB), machte dort eine Weiterbildung zum Multiplikator, half Workshops zu gestalten und gehört heute sogar dem Vorstand des Saarländischen Landesverbandes an. „Wichtig ist mir auch, über Nebenerscheinungen zu informieren, die auf die Betroffenen zukommen können“, so André Lorig. Ihm selbst machen zum Beispiel vor allem die nächtlichen Schweißausbrüche und die Schlaflosigkeit zu schaffen. Auch depressive Verstimmungen seien bei einem Morbus Bechterew häufig. Doch André Lorig ist ein wahres Stehaufmännchen und hatte an 365 Tagen im Jahr vielleicht ein Mal schlechte Laune. Er ist sich sicher: „Mit mieser Stimmung tu ich niemandem einen Gefallen und helfe mir auch selbst nicht.“ Schließlich gäbe es keine Probleme, es gäbe nur Lösungen – sowohl im Hinblick auf seine Erkrankung als auch bei seiner Arbeit!

Bestätigung durch Beruf und Kollegen

Diese positive Einstellung ist mit ein Grund dafür, dass André Lorig auch in seinem Job bisher nur wegen grippaler Infekte fehlte. Seine berufliche Tätigkeit als Teamleiter bei der Agentur für Arbeit Saarland gibt ihm unglaublich viel Bestärkung und Kraft. Er trifft vom ersten Tag der Diagnose an auf großes Verständnis bei Vorgesetzten und Kollegen, er genießt das gegenseitige Vertrauen und die große Wertschätzung. Sein Team ermutigte ihn sogar, mit der Krankheit vermehrt an die Öffentlichkeit zu gehen, darüber in einer Mitarbeiterzeitung der Agentur für Arbeit zu informieren und auch bei Bedarf um Hilfe zu bitten. André Lorigs direkter Vorgesetzter Jürgen Schäfer schätzt besonders die Offenheit und die aktive Selbstfürsorge seines Mitarbeiters, um für sich selbst eine möglichst nachhaltige und stabile Gesundheitsförderung aufrechtzuerhalten. „Unsere Zusammenarbeit und Kommunikation sind geprägt von gegenseitigem Vertrauen, wir sprechen über alles, was mindestens mittelbar mit der Tätigkeit zu tun hat“, sagt Jürgen Schäfer. „Das bietet natürlich Raum und Gestaltungsmöglichkeiten zur Unterstützung und zum Erhalt der Gesundheit.“ So war es auch selbstverständlich, dass André Lorig einen ergonomischen Schreibtischstuhl und einen höhenverstellbaren Schreibtisch erhielt oder dass die Agentur für Arbeit sein Engagement unterstützt, über betriebsinterne Kanäle auf die Krankheit aufmerksam zu machen.

Familie ist mentale Stütze

Doch André Lorig engagiert sich nicht nur beruflich und bei der DVMB – seit über 20 Jahren ist er trotz chronischer Erkrankung ehrenamtliches Mitglied in der Leitung einer Kirchengemeinde. So viel aktive Kraft und Durchhaltevermögen geht nicht ohne eine starke mentale Stütze. Und die findet André Lorig in seiner Familie. Trotz gemeinsamer Rückschläge, trotz Krankheitsschüben und familiärer Tiefs – seine Frau und seine beiden Töchter halten den engagierten Familienvater stets aufrecht und optimistisch. Denn schwierige Zeiten machten die Beziehung nur stärker und tiefer. Eine unerwartet tiefe Beziehung hat André Lorig auch zu Familienhund Buster. „Ich wollte anfangs gar keinen Hund. Heute genieße ich unseren täglichen Spaziergang zu zweit bei Wind und Wetter“, erzählt er. „Dabei kann ich mental und körperlich wunderbar auftanken – wenn auch nicht mehr im Marathon-Tempo.“

„Zu Beginn der Erkrankung war ich von großen Sorgen getragen, ob ich meinen Beruf weiterhin und ohne größere Einschränkungen werde ausüben können. Mitunter plagten mich doch sehr starke Schmerzen. Doch seit etwa neun Jahren komme ich mit einem Biologikum gut klar. Vor allem aber hilft mir die Unterstützung meiner Familie und meines Arbeitgebers. Ich musste nie Angst haben, nicht auf Verständnis und Unterstützung zu treffen. Das überaus interessierte und positive Feedback aus meinem Team ermutigte mich sogar, weitere Schritte in die Öffentlichkeit zu gehen.“

André Lorig

„Ich schätze die Offenheit und aktive Selbstfürsorge von Herrn Lorig, um für sich selbst eine möglichst nachhaltige und stabile Gesundheitsförderung aufrechtzuerhalten. Außerdem schätze ich sein Engagement, über betriebsinterne Kommunikationskanäle auf die Erkrankung an sich aufmerksam zu machen sowie zu informieren und dabei gleichzeitig ein Netzwerk und eine Austauschplattform anzubieten.“

Jürgen Schäfer, Leiter Betriebsnummern-Service, Agentur für Arbeit Saarland

Elke Horner

Elke Horner: „Das Leben in den Mittelpunkt stellen, nicht die Krankheit!“

Elke Horner ist eine wahre Vollblutmusikerin. Ihre grünen Augen strahlen, wenn sie von ihrer Leidenschaft erzählt – sei es von kubanischen Rhythmen auf der Gitarre oder auf Trommeln, sei es von komplexen Kompositionen auf dem Glockenspiel oder von Auftritten ihrer Jugendband. „Ich liebte es, die Kraft meiner Finger und Hände zu spüren, wenn ich Klänge und Rhythmen produziere“, sagt sie. „Und das schon seit meiner Kindheit.“

Als Kind und Jugendliche entdeckt Elke Horner im hessischen Rodgau auf der Blockflöte und der Gitarre ihre Liebe zur Musik. Schließlich spürt sie auch ihre Begeisterung für Trommeln, und ihr Berufswunsch für später ist schnell klar: Musik zu machen, gemeinsam mit anderen auf Konzerten aufzutreten und ihr Publikum in ihre Welt der Rhythmen und Klänge mitzureißen. Dafür übt Elke Horner über Jahre hinweg mehrere Stunden täglich, auch während ihres Politologiestudiums in Berlin. Im Alter von 31 Jahren erfüllt sich ein großer Traum der jungen Frau: Sie bekommt einen Studienplatz an einer Musikhochschule in Berlin. Mit großer Euphorie stürzt sich Elke Horner in ihr zweites Studium, übt sechs bis acht Stunden Schlagzeug am Tag, fühlt den Leistungsdruck und auch die körperliche Belastung. Bis sie nach zwei Jahren am Tag einer wichtigen Prüfung plötzlich steife Finger, starke Schmerzen sowie Schwellungen in den Händen, Armen und Füßen bekommt.

Notbremse durch Rheuma

Die schockierende Diagnose: rheumatoide Arthritis. Elke Horner fühlte sich viel zu jung für so eine Erkrankung und wollte es nicht wahrhaben. Die chronische Gelenkentzündung zeigt sich tatsächlich meist erst im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, kann jedoch in jedem Alter auftreten. Rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung, das Immunsystem greift dabei also körpereigenes Gewebe an und führt so zu wiederkehrenden Entzündungen. In der Regel sind die Gelenke davon betroffen. Die Erkrankung kann aber auch andere Organe in Mitleidenschaft ziehen. Heilbar ist sie bis heute nicht. Elke Horner musste die Notbremse ziehen und beantragte ein Krankheitssemester. „Das Studium abzubrechen, kam damals trotzdem nicht infrage“, erzählt die heute 55-Jährige. „Aber ich kämpfte verzweifelt dagegen an, mich schulmedizinisch behandeln zu lassen.“ Die Wahlberlinerin versuchte es mit alternativen Therapien und reiste auch nach China, um die Traditionelle Chinesische Medizin auszuprobieren und die chinesische Meditationsform Qigong zu erlernen. „Das übe ich noch heute aus, um Stress aus dem Alltag zu nehmen und zu entspannen“, sagt sie. „Doch ohne Medikamente und mehrere Krankenhausaufenthalte ging es dann doch nicht.“ Es gab zwar zwischendurch immer wieder Rückschläge und Elke Horner musste einzelne Musikprojekte absagen oder Trainingspausen einlegen. Aber sie konnte schließlich dennoch ihr Musikstudium abschließen.

Sich auf Neues einlassen

Elke Horner liebt Konzerte und Festivals, und sie genoss die Auftritte mit ihrem Schlagzeug sehr. Doch schließlich musste sie sich selbst eingestehen, dass sie mit dem Tragen und Aufbauen des Instruments, aber auch mit dem kraftaufwendigen Spielen überfordert war. „So habe ich gelernt, etwas Geliebtes aufzuhören, weil es mir Schmerzen bereitet“, erzählt die Musikerin. „Denn in der Akzeptanz, etwas aufzuhören, liegt immer auch ein unglaubliches Potenzial für Neues.“ Das Akzeptieren von Zuständen, die man nicht ändern könne, und bereit zu sein, sich auf etwas Neues zu fokussieren, seien ihre bedeutsamsten Leitlinien geworden. Wichtig sei, das Leben in den Mittelpunkt zu stellen, nicht die Krankheit. „Etwas zu reduzieren, etwas wegzulassen, was mir nicht guttut, sehe ich deshalb immer als Chance, nie als Barriere!“

Musik gibt Kraft

Heute spielt Elke Horner bei Auftritten Glockenspiel. Das Instrument ist leicht zu transportieren und aufzubauen und vor allem benötigt man viel weniger Kraft, um es zu spielen. „Die Rhythmen sind komplexer geworden, und die leichten und gefühlvollen Klänge gehen unter die Haut“, so die Wahlberlinerin. Auch mit Computerelementen sei in der Musik heute so vieles möglich, ohne Kraft aufzuwenden. „Im Gegenteil“, sagt Elke Horner. „Musik gibt uns Kraft, sie verleiht uns so viel Energie und Inspiration.“ Sie möchte daher auch andere Menschen mit chronischen Krankheiten ermutigen, Kraft aus einer eigenen Leidenschaft zu schöpfen. Wichtig sei dabei aber immer, die individuellen Grenzen wahrzunehmen, zu akzeptieren und einzuhalten.

Begeisterung weitergeben

Ihre Passion für die Musik und ihre Spielfreude überträgt Elke Horner auch auf Schülerinnen und Schüler. Daher ist sie neben ihren eigenen Auftritten als Musikerin auch als Schlagzeuglehrerin und Bandleiterin an der Musikschule Reinickendorf tätig. „Elke Horner ist aufgrund ihres Fachwissens, ihrer großen Empathie und vor allem aufgrund ihrer Fähigkeit zu begeistern eine wertvolle Bereicherung“, sagt Jasper Mack, Fachgruppenleiter der Musikschule Reinickendorf. Dass Elke Horner manchmal krankheitsbedingt fehlt oder einen Workshop nicht komplett durchhält, sei kein Problem. Dann werde eine Vertretung organisiert. „Denn so wie wir unseren Unterricht individuell auf unsere Schüler und Schülerinnen ausrichten, so richten wir uns im Lenkungsteam auch nach den Bedürfnissen und Wünschen unserer Lehrkräfte.“ Elke Horner traf an der Musikschule von Anfang an auf großes Verständnis. Selbst wenn sie einmal spontan absagen muss, übe niemand Druck auf sie aus. Dafür sei sie sehr dankbar.

Achtsamkeit für sich selbst

In den meisten Fällen trifft Elke Horner auch außerhalb ihres Berufslebens auf Verständnis. Entscheidend sei, selbstbewusst, kurz und ohne Drumherum zu erklären, warum man das eine oder andere vielleicht nicht kann. Auch ein verständnisvoller Partner sei wichtig, der nachvollziehen kann, warum man wegen Müdigkeit oder Schmerzen früher von einer Party nach Hause geht oder ganz zu Hause bleibt. Der offene Austausch mit anderen, aber auch die Achtsamkeit sich selbst und den eigenen Grenzen gegenüber seien die Voraussetzung für das Verständnis von außen. „Um achtsam zu sein und rechtzeitig zu erkennen, wie ich mich fühle oder ob ich etwas ändern muss, schreibe ich Tagebuch“, erzählt die Wahlberlinerin. „Außerdem tut es mir gut, jeden Tag Gymnastik oder Yoga zu machen.“ Natürlich gebe es mit einer rheumatoiden Arthritis auch dunkle Tage. „Trotzdem vertraue ich in diesen Momenten darauf, dass mir all die Reichtümer des Lebens meine Freude wieder zurückholen können.“

„Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln, ist überlebensnotwendig. Jammern würde mich allerdings zurückwerfen. Selbst wenn etwas nicht mehr geht, geht immer eine andere Tür auf und es bieten sich neue Chancen. Die Musik und die Gesundheit haben viele Parallelen: Ich spreche von Reduktion – man entschleunigt, macht etwas einfacher, verzichtet auf etwas, was beschwert. Und auch mit einer chronischen Erkrankung kann ein Verzicht, ein Aufhören Platz schaffen für neue Ideen, neue Möglichkeiten und einen neuen Fokus.“

Elke Horner

 

„Elke Horner gelingt es dank ihrer offenen aber zugleich nicht auf ihre Person konzentrierten Art trotz ihrer Einschränkungen, ihre Schülerinnen und Schüler beim Erlernen ihrer Wunschinstrumente zu ermutigen, zu fördern und weiterzuentwickeln und sie auch mit Gleichgesinnten zusammen-zuführen, zum Beispiel in einer Band. Sie ist eine wertvolle Bereicherung im Kollegium.“

Jasper Mack, Fachgruppenleiter Schlaginstrumente, Musikschule Reinickendorf