Als Kind und Jugendliche entdeckt Elke Horner im hessischen Rodgau auf der Blockflöte und der Gitarre ihre Liebe zur Musik. Schließlich spürt sie auch ihre Begeisterung für Trommeln, und ihr Berufswunsch für später ist schnell klar: Musik zu machen, gemeinsam mit anderen auf Konzerten aufzutreten und ihr Publikum in ihre Welt der Rhythmen und Klänge mitzureißen. Dafür übt Elke Horner über Jahre hinweg mehrere Stunden täglich, auch während ihres Politologiestudiums in Berlin. Im Alter von 31 Jahren erfüllt sich ein großer Traum der jungen Frau: Sie bekommt einen Studienplatz an einer Musikhochschule in Berlin. Mit großer Euphorie stürzt sich Elke Horner in ihr zweites Studium, übt sechs bis acht Stunden Schlagzeug am Tag, fühlt den Leistungsdruck und auch die körperliche Belastung. Bis sie nach zwei Jahren am Tag einer wichtigen Prüfung plötzlich steife Finger, starke Schmerzen sowie Schwellungen in den Händen, Armen und Füßen bekommt.
Notbremse durch Rheuma
Die schockierende Diagnose: rheumatoide Arthritis. Elke Horner fühlte sich viel zu jung für so eine Erkrankung und wollte es nicht wahrhaben. Die chronische Gelenkentzündung zeigt sich tatsächlich meist erst im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, kann jedoch in jedem Alter auftreten. Rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung, das Immunsystem greift dabei also körpereigenes Gewebe an und führt so zu wiederkehrenden Entzündungen. In der Regel sind die Gelenke davon betroffen. Die Erkrankung kann aber auch andere Organe in Mitleidenschaft ziehen. Heilbar ist sie bis heute nicht. Elke Horner musste die Notbremse ziehen und beantragte ein Krankheitssemester. „Das Studium abzubrechen, kam damals trotzdem nicht infrage“, erzählt die heute 55-Jährige. „Aber ich kämpfte verzweifelt dagegen an, mich schulmedizinisch behandeln zu lassen.“ Die Wahlberlinerin versuchte es mit alternativen Therapien und reiste auch nach China, um die Traditionelle Chinesische Medizin auszuprobieren und die chinesische Meditationsform Qigong zu erlernen. „Das übe ich noch heute aus, um Stress aus dem Alltag zu nehmen und zu entspannen“, sagt sie. „Doch ohne Medikamente und mehrere Krankenhausaufenthalte ging es dann doch nicht.“ Es gab zwar zwischendurch immer wieder Rückschläge und Elke Horner musste einzelne Musikprojekte absagen oder Trainingspausen einlegen. Aber sie konnte schließlich dennoch ihr Musikstudium abschließen.
Sich auf Neues einlassen
Elke Horner liebt Konzerte und Festivals, und sie genoss die Auftritte mit ihrem Schlagzeug sehr. Doch schließlich musste sie sich selbst eingestehen, dass sie mit dem Tragen und Aufbauen des Instruments, aber auch mit dem kraftaufwendigen Spielen überfordert war. „So habe ich gelernt, etwas Geliebtes aufzuhören, weil es mir Schmerzen bereitet“, erzählt die Musikerin. „Denn in der Akzeptanz, etwas aufzuhören, liegt immer auch ein unglaubliches Potenzial für Neues.“ Das Akzeptieren von Zuständen, die man nicht ändern könne, und bereit zu sein, sich auf etwas Neues zu fokussieren, seien ihre bedeutsamsten Leitlinien geworden. Wichtig sei, das Leben in den Mittelpunkt zu stellen, nicht die Krankheit. „Etwas zu reduzieren, etwas wegzulassen, was mir nicht guttut, sehe ich deshalb immer als Chance, nie als Barriere!“
Musik gibt Kraft
Heute spielt Elke Horner bei Auftritten Glockenspiel. Das Instrument ist leicht zu transportieren und aufzubauen und vor allem benötigt man viel weniger Kraft, um es zu spielen. „Die Rhythmen sind komplexer geworden, und die leichten und gefühlvollen Klänge gehen unter die Haut“, so die Wahlberlinerin. Auch mit Computerelementen sei in der Musik heute so vieles möglich, ohne Kraft aufzuwenden. „Im Gegenteil“, sagt Elke Horner. „Musik gibt uns Kraft, sie verleiht uns so viel Energie und Inspiration.“ Sie möchte daher auch andere Menschen mit chronischen Krankheiten ermutigen, Kraft aus einer eigenen Leidenschaft zu schöpfen. Wichtig sei dabei aber immer, die individuellen Grenzen wahrzunehmen, zu akzeptieren und einzuhalten.
Begeisterung weitergeben
Ihre Passion für die Musik und ihre Spielfreude überträgt Elke Horner auch auf Schülerinnen und Schüler. Daher ist sie neben ihren eigenen Auftritten als Musikerin auch als Schlagzeuglehrerin und Bandleiterin an der Musikschule Reinickendorf tätig. „Elke Horner ist aufgrund ihres Fachwissens, ihrer großen Empathie und vor allem aufgrund ihrer Fähigkeit zu begeistern eine wertvolle Bereicherung“, sagt Jasper Mack, Fachgruppenleiter der Musikschule Reinickendorf. Dass Elke Horner manchmal krankheitsbedingt fehlt oder einen Workshop nicht komplett durchhält, sei kein Problem. Dann werde eine Vertretung organisiert. „Denn so wie wir unseren Unterricht individuell auf unsere Schüler und Schülerinnen ausrichten, so richten wir uns im Lenkungsteam auch nach den Bedürfnissen und Wünschen unserer Lehrkräfte.“ Elke Horner traf an der Musikschule von Anfang an auf großes Verständnis. Selbst wenn sie einmal spontan absagen muss, übe niemand Druck auf sie aus. Dafür sei sie sehr dankbar.
Achtsamkeit für sich selbst
In den meisten Fällen trifft Elke Horner auch außerhalb ihres Berufslebens auf Verständnis. Entscheidend sei, selbstbewusst, kurz und ohne Drumherum zu erklären, warum man das eine oder andere vielleicht nicht kann. Auch ein verständnisvoller Partner sei wichtig, der nachvollziehen kann, warum man wegen Müdigkeit oder Schmerzen früher von einer Party nach Hause geht oder ganz zu Hause bleibt. Der offene Austausch mit anderen, aber auch die Achtsamkeit sich selbst und den eigenen Grenzen gegenüber seien die Voraussetzung für das Verständnis von außen. „Um achtsam zu sein und rechtzeitig zu erkennen, wie ich mich fühle oder ob ich etwas ändern muss, schreibe ich Tagebuch“, erzählt die Wahlberlinerin. „Außerdem tut es mir gut, jeden Tag Gymnastik oder Yoga zu machen.“ Natürlich gebe es mit einer rheumatoiden Arthritis auch dunkle Tage. „Trotzdem vertraue ich in diesen Momenten darauf, dass mir all die Reichtümer des Lebens meine Freude wieder zurückholen können.“
„Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln, ist überlebensnotwendig. Jammern würde mich allerdings zurückwerfen. Selbst wenn etwas nicht mehr geht, geht immer eine andere Tür auf und es bieten sich neue Chancen. Die Musik und die Gesundheit haben viele Parallelen: Ich spreche von Reduktion – man entschleunigt, macht etwas einfacher, verzichtet auf etwas, was beschwert. Und auch mit einer chronischen Erkrankung kann ein Verzicht, ein Aufhören Platz schaffen für neue Ideen, neue Möglichkeiten und einen neuen Fokus.“
Elke Horner
„Elke Horner gelingt es dank ihrer offenen aber zugleich nicht auf ihre Person konzentrierten Art trotz ihrer Einschränkungen, ihre Schülerinnen und Schüler beim Erlernen ihrer Wunschinstrumente zu ermutigen, zu fördern und weiterzuentwickeln und sie auch mit Gleichgesinnten zusammen-zuführen, zum Beispiel in einer Band. Sie ist eine wertvolle Bereicherung im Kollegium.“
Jasper Mack, Fachgruppenleiter Schlaginstrumente, Musikschule Reinickendorf