Im Jahr 2018 beschloss sie, zusätzlich in Indien eine Ausbildung zur Yogatrainerin zu absolvieren. „Mit großer Begeisterung und körperlich sehr fit begann ich mit meiner Ausbildung“, berichtet Carolina Iazzetta. „Doch plötzlich wurde ich immer schwächer, ich bekam überall Schmerzen, nahm innerhalb von vier Wochen zehn Kilogramm ab und meine Haare fielen aus.“ Mit Mühe schloss die junge Frau ihre Ausbildung ab, konnte sich vor Gelenk- und Muskelschmerzen kaum noch bewegen und wurde schließlich in Indien in eine Klinik eingeliefert.
Die Diagnose traf sie hart: Ein systemischer Lupus erythematodes, eine seltene chronische entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung, bei der ihr Immunsystem körpereigene Zellstrukturen angreift. Bei Carolina Iazzetta zeigt sich das vor allem in Form von anfänglichem Haarausfall, einer übermäßigen Licht- und Geräuschempfindlichkeit, starken Gelenkschmerzen und einer Entzündung der Nieren. Dazu kommt eine chronische Fatigue, also ein anhaltender Zustand von Erschöpfung und Müdigkeit. Zum Zeitpunkt der Diagnose lebte die junge Frau mit ihrem damaligen Partner zusammen in dessen Wohnung. Als während der stationären Behandlung klar wurde, dass sie einen langen Weg der Therapie vor sich haben würde, trennte er sich von ihr. Schlagartig hatte sich das Leben von Carolina Iazzetta komplett verändert: „Plötzlich konnte ich keine Yogalehrerin mehr sein; ich hatte meinen Partner, mein Zuhause und meine Haare verloren, und ich wusste nicht, ob ich jemals wieder ein normales Leben führen könnte.“
Beruf gibt neue Kraft und Motivation
Doch sie hatte noch ihren Laptop und ihre geistigen Fähigkeiten. Und so suchte sich Carolina Iazzetta vom Krankenhausbett aus eine neue Wohnung, legte eine Datenbank für ihre Übersetzungen an, organisierte sich neue Projekte und Aufträge. Jeden Tag arbeitete sie etwas mehr, baute ihre Selbstständigkeit als Übersetzerin aus und erkannte, dass die Arbeit für ihren Heilungsprozess genauso wichtig war wie die medizinische Behandlung selbst. „Das Arbeiten hat mir Kraft gegeben und das Gefühl, wieder etwas Kontrolle über mein Leben zu haben.“
Carolina Iazzettas berufliches Leben hat sich aufgrund der Krankheit ganz anders entwickelt als geplant. Sie sieht es jedoch positiv: „Ich habe mich hundertprozentig für die Übersetzung und die Selbstständigkeit entschieden und heute so viele Kunden und Aufträge wie nie zuvor.“ Das gibt ihr die Möglichkeit, sich auf eine einzige Aufgabe zu fokussieren, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu finanzieren und als Selbstständige auch zeitlich flexibel mit den Schüben ihrer chronischen Erkrankung umzugehen.
Doch es war nicht immer einfach. Als Selbstständige muss Carolina Iazzetta trotz ihrer Krankheit Fristen für Buchhaltung sowie Steuern einhalten und sich allein um Marketing und Aufträge kümmern. Zu Beginn war da auch die Angst, dass ihre Kunden es nicht akzeptieren würden, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr rund um die Uhr erreichbar wäre oder Übersetzungen verschieben müsste. Manchmal konnte sie auch Mails nicht sofort beantworten oder kam morgens einfach nicht aus dem Bett. Als Selbstständige sieht Carolina Iazzetta ihre Auftraggeber als Teamkollegen und als Vorgesetzte. Es war ihr daher wichtig, ihnen gegenüber von vornherein offen mit ihrer Diagnose umzugehen. Sie erklärte ihren Kunden auch auf ihrer Website, dass Krankheitsschübe auftreten und sich Projekte eventuell verzögern könnten. „Viele hatten noch nie etwas von meinen Erkrankungen gehört“, erzählt die junge Frau. „Umso wichtiger ist es, offen darüber zu sprechen.“ So traf sie überall auf Verständnis und Unterstützung. Und wenn ein Auftrag besonders dringend ist oder ein schwerer Krankheitsschub auftritt, helfen andere Kollegen aus der Übersetzerbranche aus. Teamarbeit hat jetzt generell einen höheren Stellenwert.
Mit Hilfsmitteln für Entspannung sorgen
Aber auch bestimmte Hilfsmittel können das Leben mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung erleichtern. Für Carolina Iazzetta sind ihre Geräuschempfindlichkeit und damit auch Gespräche am Telefon eine große Belastung. Sie kommuniziert daher vor allem per E-Mail und über soziale Netzwerke. So ist es auch leichter, zeitlich flexibel zu antworten und die dringend nötigen Pausen einzuhalten. Sogenannte Noise-Cancelling-Kopfhörer schirmen Außengeräusche ab und verbessern ihre Konzentrationsfähigkeit. Um ihre wandernden Muskel- und Gelenkschmerzen zu lindern und für regelmäßige Bewegung zu sorgen, nutzt die 30-Jährige eine auf dem Boden liegende Akupunkturmatte. Wichtig ist auch, die Sitzposition am Schreibtisch mehrmals am Tag zu wechseln. Carolina Iazzetta hat daher einen höhenverstellbaren Schreibtisch und einen Laptopständer, mit dem sich die Position des Rechners und somit auch die Stellung von Kopf und Nacken verändern lassen. Mit Entspannungstechniken wie Meditation wirkt sie beruflichem Stress entgegen und kann so den Ausbruch starker Symptome verhindern. „Und natürlich trainiere ich weiterhin regelmäßig Yoga, um beweglich zu bleiben und irgendwann wieder zu meiner alten Kraft und Ausdauer zurückzufinden.“
Ihre Vollzeittätigkeit als Urkundenübersetzerin ist für Carolina Iazzetta heute nicht nur ein Weg, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern ein Teil ihrer Behandlung und die tägliche Motivation, gesund und stark zu bleiben. Dank ihrer positiven Einstellung, ihrer Offenheit gegenüber ihren Kunden und Kollegen sowie ihrer gut organisierten Arbeitsstruktur spürt sie, dass ihre Kunden sie und ihre Arbeit sehr schätzen und die Krankheit ihr Leben keineswegs schlechter macht.
Positives Vorbild für andere Betroffene
Mit ihrer Geschichte möchte Carolina Iazzetta anderen Betroffenen Mut machen. „Ich hätte mir gewünscht, von Anfang an Patienten mit einer erfolgreichen Behandlung zu sehen“, sagt sie. In Selbsthilfegruppen oder im Internet träfe man vor allem auf andere verzweifelte Patienten, die nicht wissen, wie es weitergeht. „Ich habe auch mehrmals darüber nachgedacht, aufzugeben. Doch zusammen ist man weniger allein!“ Dafür müsse man mit anderen offen über die Erkrankung sprechen, aber auch sehen, wie andere Betroffene ihr Leben mit der Krankheit positiv meistern. Nicht bei jedem Patienten verliefe die Krankheit gleich, wichtig sei es aber, motivierende Beispiele vor Augen zu haben.
„Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen. Es ist wichtig, Patienten mit einer erfolgreichen Behandlung zu sehen und motivierende Beispiele vor Augen zu haben. Das hilft, stark zu bleiben. Denn zusammen ist man weniger allein!“