Zwar litt sie schon seit Jahren immer mal wieder an Steifigkeits- oder Schwellungsgefühlen der Hände und Füße, hatte am ganzen Körper Schmerzen und keine Kraft, eine Wasserflasche zu öffnen. Doch für eine entzündlich-rheumatische Erkrankung gab es aus medizinischer Sicht keinen einzigen Anhaltspunkt. Ihre diffusen Symptome und starken Schmerzreize sprachen eher für das Fibromyalgiesyndrom. Dieser Faser-Muskel-Schmerz kann den ganzen Körper betreffen, ohne dass tatsächlich eine Ursache zu finden ist.
Glück im Unglück
Doch Petra Ammann hat Glück im Unglück und erhält als Notfall in der Rheumatologie der Universitätsklinik Heidelberg sofort professionelle Hilfe. Unmittelbar nach den ersten Untersuchungen und Laborbefunden steht die Diagnose rheumatoide Arthritis fest. Petra Ammann erhält hoch dosiert Kortison – bereits am nächsten Tag kann sie wieder die Füße bewegen und laufen. Um die Entzündung wirksam zu hemmen, geben die Ärzte zusätzlich das Basismedikament Methotrexat (MTX) und Schmerzmittel. Schon nach einigen Wochen ist eine deutliche Rückbildung der Beschwerden und Krankheitszeichen zu erkennen. Ein völliges Ausschleichen der Medikamente war bislang jedoch nicht möglich. „Die Schmerzen kehren sonst sofort zurück“, sagt Petra Ammann.
Den Kopf in den Sand zu stecken, käme der zuversichtlichen Frau dennoch nicht in den Sinn. „Ich war oft sehr verzweifelt, fühlte mich durch die Krankheit in meiner Lebensqualität stark eingeschränkt und wertlos“, erzählt die Kurpfälzerin. Zukunftsängste quälten sie. „Innerlich habe ich einen zermürbenden Kampf geführt und mein Rheuma verflucht. Bis ich erkannt habe, dass ich diesen Kampf nur verlieren kann, wenn ich die Krankheit nicht als Teil von mir annehme“, sagt Petra Ammann. Ihr Motto lautet: „Ein Weg entsteht, wenn man ihn geht.“ Umso mehr freut sie sich über die Auszeichnung mit dem RheumaPreis 2019.
Gleichgesinnte suchen
Eine wichtige Stütze ist nach wie vor ihr Ehemann Peter, der ihr zu Hause viele Tätigkeiten abnimmt und stets für alle Sorgen ein offenes Ohr hat. Und natürlich andere Rheuma-Patienten, die Petra Ammann über die Rheuma-Liga und Selbsthilfegruppen kennen- und schätzen gelernt hat. „Ich empfehle jedem Rheuma-Patienten, sich Gleichgesinnte zu suchen“, betont sie. Durch die Gespräche, Patientenschulungen, Aufenthalte in Akut-Schmerzkliniken und Reha-Einrichtungen hat sie gelernt, mit der Rheuma-Erkrankung umzugehen. Sie weiß, dass Bewegung, Achtsamkeit und gesunde Ernährung wichtig sind. „Und ich habe erfahren, dass ich nicht allein mit einer chronischen Erkrankung bin“, sagt die 51-Jährige. Ihre Erfahrungen gibt sie mittlerweile an andere Patienten weiter. Sie betreut bei der Rheuma-Liga eine Wassergymnastikgruppe des Funktionstrainings und nimmt an dem Projekt „Patient Partner“ teil. Dort stellt sie angehenden Ärzten ihre Krankheitsgeschichte als Lehrmaterial zur Verfügung.
Dankbar ist Petra Ammann über die große Unterstützung ihres Arbeitgebers und der Kollegen. „Ich bin immer auf großes Verständnis gestoßen und mein Gesundheitszustand wurde zu jedem Zeitpunkt berücksichtigt“, sagt sie. Seit 1999 arbeitet Petra Ammann im Mercedes-Benz Werk Mannheim. Zunächst in der Werkskantine – doch langes Stehen war aufgrund der ursprünglich diagnostizierten Fibromyalgie nicht mehr möglich und sie fiel krankheitsbedingt immer häufiger aus. Als die starken Schmerzen 2009 immer schlimmer wurden, bot ihr der Arbeitgeber im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) eine Wiedereingliederung im Bereich „Verpackung und Verladung“ an. Petra Ammann ergriff die Chance, sich beruflich völlig neu zu orientieren. „Für diese Möglichkeit bin ich dem Unternehmen heute noch dankbar“, sagt sie. Als dann im Jahr 2012 rheumatoide Arthritis diagnostiziert wird und Petra Ammann über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig ist, unterstützt der Arbeitgeber die Mitarbeiterin erneut. Die Schwerbehindertenvertretung im Mercedes-Benz Werk Mannheim leitet die entsprechenden Schritte für eine „Begleitende Hilfe am Arbeitsplatz“ ein, die nach dem Sozialgesetzbuch möglich ist. Durch die Umgestaltung ihres Arbeitsplatzes bessern sich die Beschwerden deutlich und Petra Ammann kann weiterhin ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen.
Im Berufsleben integriert
Sie bekommt einen verstellbaren ergonomischen Arbeitstisch mit einer integrierten Waage. Petra Ammann erspart sich dadurch schweres Tragen zur Abteilungswaage und vermeidet körperliche Anstrengungen. Als es ihr besser geht, möchte Petra Ammann ihre Arbeitszeit erhöhen und in ein Schichtsystem wechseln. Der Arbeitgeber bietet ihr an, die Umstellung in den Schichtbetrieb und die Arbeitszeiterhöhung eine Zeitlang in Ruhe zu testen. Inzwischen hat sie ihre Arbeitszeit von 22 auf 32 Stunden erhöht und arbeitet im Schichtsystem. „Meine Kollegen sind immer hilfsbereit und sind für mich da, wenn ich Hilfe benötige“, sagt sie. Knapp sieben Jahre nach dem ersten schweren Rheuma-Schub fühlt sich Petra Ammann im Berufsleben voll integriert und wertgeschätzt. Seit Kurzem ist die tatkräftige Mitarbeiterin im Büro der Schwerbehindertenvertretung im Mercedes-Benz Werk Mannheim ehrenamtlich tätig. Sie hat sich zur Wahl aufstellen lassen und wurde prompt zur zweiten Stellvertreterin gewählt. „Mir geht es wieder gut und ich möchte nun anderen Kollegen helfen“, sagt sie.
Darüber freut sich auch die Vorgesetzte von Frau Ammann, Karen Henne, Leitung Kompetenzzentrum Gießerei und Zentrallogistik:
„Die Umgestaltung des Arbeitsplatzes von Frau Ammann zeigt, dass wir durch Flexibilität und individuelle Lösungen am Arbeitsplatz viel erreichen können, denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Basis unseres Erfolgs. Ihre Gesundheit steht für uns an erster Stelle und wir sind bestrebt, gerade auch im ergonomischen Bereich optimal zu unterstützen. Wir freuen uns daher sehr über den RheumaPreis 2019 und gratulieren Frau Ammann ganz herzlich!“