RheumaPreis 2021

Im Folgenden stellen wir Ihnen die aktuellen sowie die Preisträger der vergangenen Jahre vor. Klicken Sie auf die Jahreszahl oder die Person, um mehr über unsere Preisträger zu erfahren.

Adriana Anders

Adriana Anders: „Nie aufgeben und mit den Arbeitgebern reden! Tätigkeiten lassen sich oft gemeinsam an die Bedürfnisse anpassen.“

Adriana Anders ist Altenpflegerin mit Leib und Seele. Die gebürtige Rumänin arbeitet seit über 20 Jahren im Altenzentrum Hospital in Bad Hersfeld und kümmert sich leidenschaftlich gerne um „ihre Bewohner“: Gerade für die zahlreichen dort lebenden Demenzerkrankten sei es so wichtig, aktiv und mit Freude am Leben teilzunehmen. Trotz ihrer starken Schmerzen in den Händen und Fingern, dem brennenden Gefühl und der Steifheit ihrer Gelenke geht Adriana Anders täglich mit einem Lächeln zur Arbeit – auch wenn die Schmerzen stetig schlimmer werden.

„Ich habe es auf die körperlich sehr anstrengende Arbeit mit den Pflegebedürftigen geschoben und gehofft, dass es wieder weggeht“, erinnert sie sich heute. Doch im Jahr 2009 erleidet sie einen heftigen Bandscheibenvorfall und 2014 erfolgt die Diagnose: Adriana Anders leidet unter rheumatoider Arthritis (RA), einer chronischen Gelenkentzündung, die sich meist über die Jahre hin verschlechtert und nicht heilbar ist. „Die Ärzte sagten mir damals, dass ich meinen Job als Altenpflegerin nicht mehr ausüben könne, da ich andernfalls Gefahr laufen würde, im Rollstuhl zu landen. Und, dass ich einen Antrag auf Feststellung der Behinderung stellen soll“, erzählt die heute 50-Jährige. Doch das wollte sie zunächst nicht wahrhaben. Sie sei doch nicht behindert und wolle unbedingt bis zur Rente weiterarbeiten. Schließlich war es ja nicht nur ein Job, es war ihre Berufung! „Als ich dann den Brief in der Hand hielt, auf dem schwarz auf weiß stand, dass ich eine 50-prozentige Behinderung habe, habe ich erst einmal nur geweint.

Initiative durch Arbeitgeberin

Die Pflegedirektorin des Altenzentrums Kornelia Knierim erkannte ebenfalls, dass das schwere Heben und die körperliche Versorgung der pflegebedürftigen Bewohner für Adriana Anders nicht mehr möglich waren und sie auch unter den anstrengenden Wechselschichten litt. „Frau Anders ist immer für andere da und gibt ihr Bestes. Sie ist in unserer Einrichtung nicht mehr wegzudenken“, sagt Kornelia Knierim. Nachdem Adriana Anders offen mit ihr über die Diagnose gesprochen hatte, war es für sie selbstverständlich, ihre Mitarbeiterin zu unterstützen und ihr Tätigkeitsfeld anzupassen. Sie bekam das Angebot, ab sofort als Betreuungskraft für die Bewohner des Altenzentrums zu arbeiten. Seitdem kocht Adriana Anders zusammen mit den Seniorinnen und Senioren, sie singen und musizieren. Sie organisiert Feste und Ausflüge, hört zu und erfüllt Wünsche, geht mit den Bewohnern spazieren und zeigt ihnen Yoga-Übungen. Auch wenn sie weiterhin noch Schmerzen hat, so kann sie diese bei ihrer Arbeit doch immer wieder vergessen. Wenn sich ein Krankheitsschub ankündigt und die Rheumatikerin nicht arbeiten kann oder eine Rehamaßnahme benötigt, haben Kornelia Knierim und Ernst-Olaf Mende, der Leiter des Altenzentrums Hospital, jederzeit Verständnis.

Große Dankbarkeit verspürte Adriana Anders auch, als ihre Vorgesetzten kürzlich den Vorschlag machten, die Hälfte ihrer Arbeitsstunden in der Tagespflege zu verbringen. Auch dies ist eine erhebliche Erleichterung für die 50-Jährige. Denn die Bewohner der Vollzeitpflege sind auf drei Etagen verteilt, sodass die Laufwege zwischen den unterschiedlichen Räumen und Veranstaltungen teilweise recht anstrengend sind. Die Tagesgäste befinden sich dagegen auf einer Etage und sind somit leichter zu erreichen. „Wir überlegen uns, wie wir den Berufsalltag von Frau Anders erleichtern können und versuchen immer, ihre Tätigkeiten so gut wie möglich auf ihre Erkrankung abzustimmen“, erklärt Ernst-Olaf Mende. Wichtig sei dafür ein regelmäßiger Austausch zwischen der Mitarbeiterin, den Kollegen und der Leitung, um auf Probleme oder Bedürfnisse eingehen zu können.

Trotz Rheuma voller Tatendrang

Gibt es bei so viel beruflichem Engagement auch noch Zeit für ein Privatleben? „Das kann ich nicht trennen“, sagt Adriana Anders lachend. Zu Hause kocht sie sehr gerne, während sich ihr Ehemann um den restlichen Haushalt und den Garten kümmert. Putzen und Staubsaugen fiele ihr inzwischen doch zu schwer. „Aber das Gemüseschnippeln hält meine Finger beweglich, und dabei kann ich Pläne für die Arbeit schmieden – zum Beispiel für einen Ausflug in den nahe gelegenen Baumwipfelpfad.“ Den könne man nämlich auch mit Rollstühlen befahren. Eine Bewohnerin hätte sich zudem unbedingt eine Fahrt mit dem Heißluftballon gewünscht. Und sie wollen auf jeden Fall in diesem Jahr noch einmal gemeinsam in den Urlaub fahren. Auch dafür hat Adriana Anders bereits zahlreiche Vorschläge. Gerade der kühle Sommer käme der Rheumatikerin sehr gelegen und Bewegung täte ja schließlich allen gut. Und da sie weiß, wovon sie redet, hat sie für die, die nicht so gut zu Fuß sind, auch schon eine neue Idee: Eine Spritztour mit einem Golfcart durch die Stadt – da würden sich ihre Senioren riesig freuen.

„Wir sind froh, Frau Anders als engagierte Mitarbeiterin in unserem Team zu haben und möchten sie natürlich bei uns behalten. Daher unterstützen wir sie immer und stimmen ihre Tätigkeiten so weit wie möglich auf ihre Erkrankung ab. Für uns hat Frau Anders den RheumaPreis auf jeden Fall verdient, weil sie trotz ihrer schweren Erkrankung immer für andere da ist und jeden Tag trotz Schmerzen ihr Bestes gibt. Wir haben den größten Respekt!“

Ernst-Olaf Mende, Leiter des Altenzentrums Hospital in Bad Hersfeld

Kerstin Mahr

Kerstin Mahr: „Wichtig ist, sich zu vernetzen! Es findet sich immer eine Lösung, auch wenn man sie nicht direkt sieht.“

Als die 22-jährige Kerstin Mahr als Fremdsprachensekretärin bei dem Telekommunikationsdienstleister Colt Technology Services GmbH in Frankfurt einstieg, konnte sie bereits nur schwer laufen. Sie litt unter Schmerzen in der Wirbelsäule und in den Hüften, längeres Sitzen oder Stehen bereiteten ihr Probleme. Kerstin Mahr ist heute noch dankbar, dass ihr Arbeitgeber sie trotz der offensichtlichen Beeinträchtigungen einstellte und von Beginn an so akzeptierte, wie sie war.

Erst drei Jahre später erhielt die junge Frau ihre Diagnose: Morbus Bechterew, eine Form des chronischen und entzündlichen Rheumas, sowie eine beidseitige Hüftgelenkarthrose. „Es war sehr schwer für mich, die Diagnose zu akzeptieren und mich von meinem bisherigen Leben zu verabschieden“, erzählt die heute 46-Jährige. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch ein eigenes Pferd und musste erkennen, dass ich zunehmend nicht mehr in der Lage war, es zu versorgen, zu pflegen und zu reiten.“ Ihr geliebter Vierbeiner hatte über Jahre einen großen und wichtigen Platz in ihrem Privatleben eingenommen. Auch Kerstin Mahrs Freundeskreis bestand größtenteils aus Reitern. Sie machte die Erfahrung, dass es vielen Menschen schwerfiel, zu verstehen, dass es Krankheiten gibt, die man von außen nicht unbedingt sehen kann. Um offen über ihre gesundheitlichen Probleme zu sprechen, brauchte sie eine große Portion innerer Ausgeglichenheit und Selbstbewusstsein.

Unterstützung durch den Arbeitgeber

Bei ihren Vorgesetzten traf Kerstin Mahr dagegen sofort auf Verständnis. Sie erhielt einen ergonomischen Bürostuhl und einen elektronisch höhenverstellbaren Schreibtisch. Das ermöglicht ihr, zwischen sitzenden und stehenden Positionen zu wechseln und vermindert Verspannungen und Schmerzen. Kerstin Mahr kann sich ihre Arbeitszeit flexibel einteilen und auch vor der Corona-Pandemie konnte sie bereits bei Bedarf zu Hause arbeiten. „Die Erhaltung der Gesundheit hat einen hohen Stellenwert für uns“, sagt Corinna Greis, Personalchefin und Country Managerin bei Colt Technology Services dazu. „Wir fördern und leben eine inklusive Kultur, in der es uns als Unter-nehmen ein Anliegen ist, unsere Mitarbeitenden in jeder Situation bestmöglich zu unterstützen.“

So war es auch selbstverständlich, dass sich Kerstin Mahr innerhalb des Unternehmens stets weiterentwickeln konnte. Sie baute ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen stetig aus und legte zusätzlich eine Ausbildung als staatlich geprüfte Betriebswirtin ab. „Heute bin ich als Account Managerin im Vertrieb tätig“, erzählt die Rheumatikerin. „Das hätte ich mir vor ein paar Jahren nie vorstellen können.“ Das Verständnis für Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen und ihre Förderung rücke im gesamten Unternehmen sogar immer mehr in den Fokus. So wurde beispielsweise auch eine globale Initiative zur Förderung von Barrierefreiheit ins Leben gerufen, die Kerstin Mahr aktiv mitgestaltet.

Ihr Geschäftsführer engagiert sich als Sponsor für dieses globale Netzwerk „Disability Accessibility Network“ und unterstützt damit aktiv ihre Möglichkeiten, sich auch länderübergreifend mit Kollegen auszutauschen und an Verbesserungen mitzuarbeiten. Als Stellvertreterin der Schwerbehinderten-vertretung kümmert sich Kerstin Mahr außerdem gemeinsam mit ihrem Kollegen um die Belange und Sorgen anderer betroffener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen.

Wichtig sei es, sowohl im Berufsleben als auch im Privaten, Kontakte zu knüpfen und sich zu vernetzen. So habe sie selbst viel gelernt, über sich, welche Lösungen andere Betroffene finden können, aber auch, wie man in Regionen wie Asien Menschen mit Handicap als Bereicherung sieht. „Durch den offenen Austausch mit zahlreichen Rheumatikern sind auch ganz tolle langjährige Freundschaften entstanden“, sagt Kerstin Mahr. „Es sind andere Freunde als früher, aber Freunde, die mich sehr schätzen und so wahrnehmen, wie ich bin.“

„Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung von Frau Mahr. Bei Colt fördern und leben wir eine inklusive Kultur, in der es uns als Unternehmen ein Anliegen ist, unsere Mitarbeitenden in jeder Situation bestmöglich zu unterstützen. Die Erhaltung der Gesundheit hat dabei einen hohen Stellenwert für uns.“

Corinna Greis, Personalchefin und Country Managerin bei Colt Technology Services GmbH in Frankfurt.

Achim Rinderl

Achim Rinderle: „Bleibt offen für neue Wege und Unvorhersehbares! Das ist etwas Positives, es bereichert unser Leben.“

Achim Rinderle ist Anfang 20, ein Vollblutmusiker, lebensfroh, voller Energie und niemals still. Er lebt in Hildesheim und geht von dort aus immer wieder auf Tour – gemeinsam mit seiner Band oder solo mit seiner Klarinette und seinem Saxophon. Der junge Mann studiert außerdem Kulturwissenschaften, um neben der Musikkarriere auch in die Erlebnispädagogik zu gehen. Doch plötzlich: ein Hexenschuss, heftige Schmerzen in Wirbelsäule und Hüften. Als Achim Rinderle im Alter von 24 Jahren die Diagnose Morbus Bechterew erhält, ist er zuerst verunsichert, dann genervt und schließlich verdrängt er das Problem.

„Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich realisiert hatte, dass es nun mal so ist und dass der ‚Bechti‘ zu mir gehört“, erzählt der Musiker heute. „Und jetzt – ziemlich genau 25 Jahre später – bin ich sogar dankbar für diese Notbremse!“

Denn Achim Rinderle sieht seine chronische Erkrankung keinesfalls als schweren Schicksalsschlag oder gar als eine Art Strafe. Vielmehr empfindet er sie als größte Chance seines Lebens, die ihn innerlich enorm beweglich werden ließ, auch wenn er körperlich stetig an Beweglichkeit verlor. „Wenn ich weiter so durchgepowert hätte, vielleicht hätte ich dann heute schon Burnout?“ Und so blickte der leidenschaftliche Musiker in sein Inneres, hörte auf seinen Körper, lernte, dass der Schmerz ein guter Lehrer ist, der ihm neue Wege aufzeigen konnte –, und dass sein Beruf tatsächlich die beste Therapie war. „Ich sprang zwar nicht mehr wie ein junges Reh auf die Bühne, eher wie ein Rehbock im besten Alter“, erzählt der heute 48-Jährige lachend. „Aber ich lernte, dankbar zu sein, wenn mir Bandmitglieder halfen oder wenn ich auf einem Barhocker musizieren konnte, statt stundenlang zu stehen.“ Auf Konzertreise ging es nun mit dem Rucksack und Wanderstöcken, statt mit Rollkoffer. Die ursprünglich geplante Erlebnispädagogik war körperlich zu anstrengend, stattdessen übernahm Achim Rinderle eine Stelle als Instrumentallehrer in einer Musikschule.

Geduld und Verständnis von Arbeitgeber und Schülern

Inzwischen lebt Achim Rinderle im ländlichen Allgäu und genießt die Ruhe. Hier sei das Leben weniger egoistisch und stressig, der Umzug von der Stadt aufs Land hätte unglaublich viel Druck aus seinem Leben genommen. Heute fährt er bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad überall hin. „Dass ich das einmal so zu schätzen weiß, hätte ich früher nie gedacht.“ Die Live-Auftritte seien hier natürlich lokaler und auch seltener geworden, aber dafür liebt er seine Tätigkeit als Lehrer an der Musikschule Oberallgäu-Süd genauso wie seine künstlerische Arbeit als Musiker. Seit 2011 unterrichtet er in Immenstadt Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Klarinette und Saxophon. „Ich bin so froh, dass ich mein Wissen, mein Können und meine Liebe zur Musik weitergeben darf und bekomme so viel zurück an Vertrauen, Offenheit und Dankbarkeit“, sagt er. Die Leiter der Musikschule, aber auch die Kollegen und seine Schüler brächten ihm immer Geduld und Verständnis entgegen. „Sie sehen nur meine Fähigkeiten und nicht meinen Buckel!“ So war es auch selbstverständlich, dass er den Unterricht im Erdgeschoss der Musikschule abhalten konnte, als ihm das Treppensteigen starke Schmerzen bereitete. Achim Rinderle stellte sich eine Bügelhilfe in den Übungsraum, um beim Unterricht nicht stehen zu müssen. Auch ein weiterer CD-Player wurde angeschafft, sodass er ihn nicht von Raum zu Raum tragen muss. „Wir unterstützen natürlich, wo immer es nötig ist“, sagt Tobias Heinrich, musikalischer Leiter der Musikschule Oberallgäu-Süd. „Aber Herr Rinderle hat so ein offenes und positives Auftreten, dass seine Krankheit gar keine Chance hat, Hauptthema zu werden.“

Musik, Meditation und positives Denken

Auch mit seinen Musikschülern spricht der Allgäuer offen über seine Erkrankung. Wenn Achim Rinderle für einige Wochen eine Reha-Einrichtung besucht und die Klarinetten- oder Saxophonstunden absagen muss, haben seine Schüler immer Verständnis und wünschen ihm alles Gute. Während eines Krankheitsschubs nimmt der Musiker auch gering dosierte Medikamente. Meistens braucht er sie jedoch kaum. Stattdessen hilft ihm die Meditation – teilweise auch in Kombination mit der Musik. Und was ihm selbst so gut hilft, möchte er gerne auch anderen weitergeben. Als er bei einem Auftritt Klarinette spielte und gleichzeitig meditierte, hätte es die Zuhörer unglaublich berührt und für Entspannung gesorgt, sodass er diese „therapeutischen“ Möglichkeiten gerne ausbauen würde, zum Beispiel zur Entspannung der Gäste in Wellness-Hotels oder auch in Altersheimen und Hospizen.

Einen Tipp für andere Betroffene? Für Achim Rinderle ist das ganz klar: „Stress möglichst vermeiden, ab und zu einfach dasitzen, in sich hineinhören, den Körper spüren, mit sich und der Welt zufrieden sein und sich mit Menschen umgeben, die einem Mut machen, aufbauend und positiv sind.“

„Ich freue mich sehr, dass Herr Rinderle den RheumaPreis gewonnen hat! Er ist ein geschätzter Mitarbeiter und ein wunderbarer Musiker mit einem sehr guten Verhältnis zu seinen Schülerinnen und Schülern. Die Krankheit ist in unserem täglichen Ablauf eigentlich gar kein Thema. Er ist so positiv, sehr engagiert und behandelt das Ganze so, dass keine Einschränkungen in unserer Zusammenarbeit und seinem Unterrichten zu Tage treten.“

Tobias Heinrich, musikalischer Leiter der Musikschule Oberallgäu-Süd