Silke Hüser

Silke Hüser und Willi Scheuche Import

„Ich finde es absolut wichtig, dass auf das Thema Rheuma und Arbeit aufmerksam gemacht wird. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig“

Mit ihrer Erkrankung offen umzugehen, musste Silke Hüser anfangs erst lernen. Die 38-Jährige leidet seit ihrem 15. Lebensjahr an rheumatoider Arthritis. Als Jugendliche verschwieg sie die Krankheit aus Angst vor Ablehnung und Enttäuschung. Doch dann sagte ein Freund zu ihr: „Wenn ein anderer Mensch mit dir und deiner Erkrankung ein Problem hat, ist das sein Problem. Mach du es aber nicht zu deinem“. Dieser Rat war der gelernten Groß- und Außenhandelskauffrau eine große Hilfe, gerade auch im Berufsleben.

Deshalb sprach Silke Hüser auch offen über ihre Rheuma-Erkrankung, als sie vor neun Jahren einen neuen Job suchte. Gezielt suchte sie nach einem Arbeitgeber, der sie aufgrund ihrer Kompetenz und ihres Engagements schätzte und Verständnis für ihre Erkrankung aufbrachte. Die Außenhandelskauffrau hatte Glück. Ihr neuer Chef entschloss sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Da der Standort der Willi Scheuche GmbH zu weit entfernt lag, gründete ihr Vorgesetzter kurzerhand ein eigenständiges Unternehmen am Wohnort von Silke Hüser und setzte sie als Geschäftsführerin ein. Dadurch konnte sie Einfluss auf die Auswahl von Gebäude und Ausstattung nehmen und achtete auf kurze Anfahrtszeiten, Verfügbarkeit eines Fahrstuhls und ergonomisches Büromobiliar.

Das große Vertrauen, dass der Arbeitgeber ihr gegenüber bewiesen hat, rechtfertigt Silke Hüser, indem sie sich mit großem Engagement ihrer Aufgabe widmet: dem Wareneinkauf von Dekoartikeln in Fernost. Zu dieser Aufgabe gehören regelmäßige Reisen in asiatische Länder. Diese machen den Job besonders interessant, aber auch körperlich anstrengend. Doch dank ihrer Einstellung „Ich schaffe es auch mit Rheuma“ und der Unterstützung ihrer Kollegen, die ihr zum Beispiel schweres Tragen abnehmen, meistert sie diese Aufgabe und kann die vielen spannenden Eindrücke und Erlebnisse auf ihren Reise auch genießen. „Auch mit Rheuma kann und muss man aktiv sein und sich alles zutrauen“, findet die Bremerin. Zuhause helfen ihr bei der täglichen Arbeit ihre flexiblen Arbeitszeiten und die Möglichkeit, sich in einen Nebenraum zurückziehen zu können, um auszuruhen oder Übungen zu machen.

„Da mache ich mit!“ dachte Silke Hüser spontan, als ihr Rheumatologe ihr die Bewerbung um den RheumaPreis vorschlug. „Ich finde es absolut wichtig, dass auf das Thema Rheuma und Arbeit aufmerksam gemacht wird. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig“, so die Geschäftsführerin. Gerade der selbstverständliche und flexible Umgang durch Silke Hüser selbst als auch durch ihren Arbeitgeber hat die Jury stark beeindruckt und macht dieses Team zu würdigen Trägern des RheumaPreises 2010.

Hella Tietz

Hella Tietz und Lebenshilfe Nienburg

„Rheuma? Du bist doch noch so jung!“

Diesen Satz hat Hella Tietz schon oft gehört. „Vielfach sind die Leute erstaunt, wenn sie hören, dass ich Rheuma habe.“ Seit Jahren leidet die 36-Jährige an Morbus Bechterew, einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung, die sich vor allem an der Wirbelsäule auswirkt. Die Diagnose erhielt sie mitten im Abitur, als sie bereits Pläne schmiedete, Sozialpädagogik zu studieren. An diesem Ziel hielt sie auch fest. Obwohl sich ihr Gesundheitszustand bereits verschlechterte, beendete sie ihr Studium erfolgreich als Diplom-Sozialpädagogin.

Ihre berufliche Karriere begann vielversprechend: Hella Tietz arbeitete freiberuflich als gesetzliche Betreuerin behinderter oder erkrankter Menschen, für die sie rechtliche Angelegenheiten regelte. Doch mit der Zeit wurde diese Tätigkeit körperlich zu belastend, sodass sie diese nach einigen Jahren wieder aufgeben musste. Die Sozialpädagogin ließ sich davon jedoch nicht entmutigen: Sie suchte und fand eine Alternative bei der Lebenshilfe Nienburg, einer gemeinnützigen Einrichtung, die sieben Werkstätten für behinderte Menschen betreibt. Schon bei der Bewerbung konnte Hella Tietz offen über ihre Erkrankung und mögliche Einschränkungen sprechen. „Leider ist das heute auch noch im Bereich der Behindertenhilfe im Bezug auf das Personal nicht selbstverständlich“, hat die 36-Jährige festgestellt.

In ihrer neuen Position beim Sozialdienst in den Werkstätten konnte sie auf die volle Unterstützung ihres Arbeitgebers bauen. Mit ihm entwickelte sie kreative Lösungen, wenn ihre körperlichen Einschränkungen dies erforderten. So konnte sie von Anfang an ihre Arbeitszeit individuell planen und bei Bedarf von zu Hause aus arbeiten. Ein Notebook mit Serveranbindung wurde ihr dafür bereitgestellt. Ich kann meine Krankengymnastik stets während der Arbeitszeit wahrnehmen und zusätzlich sämtliche vorhandenen Therapieräume und -möglichkeiten nutzen“, berichtet Hella Tietz. Das Tätigkeitsfeld wurde so abgestimmt, dass sie wechselnde Aufgaben an unterschiedlichen Standorten ausübt, was ihren körperlichen Bedürfnissen entgegen kommt.

Als Hella Tietz Mutter einer kleinen Tochter wird, bekommt sie viel Hilfe von ihrem Arbeitgeber und den Kollegen. Nach der Geburt arbeitet sie für längere Zeit kontinuierlich im „Homeoffice“– eine Maßnahme, die für die Einrichtung ein Novum darstellte. Da Betreuungsangebote für unter Dreijährige rar sind, finanzierte ihr Arbeitgeber danach sogar einen Krippenplatz am Arbeitsort. Die Besprechungszeiten wurden an die Teilzeittätigkeit der Sozialpädagogin angepasst. „Alle Beteiligten – meine direkten Kollegen und mein Vorgesetzter – haben kooperativ zusammen gearbeitet“, sagt Hella Tietz. Dank dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit und des persönlichen Einsatzes von Hella Tietz blieben Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit auf ein Minimum beschränkt. Trotz bekannter Einschränkungen wurden mir stetig neue, verantwortungsvolle Bereiche und Rollen übertragen. Heute bin ich die einzige weibliche und in Teilzeit tätige Einrichtungsleitung der Werkstätten. „Mein Beruf ist mir sehr wichtig. Durch meine Berufstätigkeit bin ich finanziell unabhängig, ich fühle mich wertgeschätzt und kann positiv mit dem Thema Behinderung umgehen“, so die Preisträgerin. „Diese positive Einstellung kann ich bei meiner Tätigkeit an andere Menschen mit Behinderung weitergeben.“

Vom RheumaPreis hat Hella Tietz „im Wartezimmer“ erfahren, wo sie auf Informationsmaterial aufmerksam wurde. Sie entschloss sich sofort zum Mitmachen – und hatte Erfolg! Das Preisgeld, das mit der Auszeichnung verbunden ist, möchte sie für einen Urlaub mit ihrem Partner und ihrer Tochter verwenden. „Ich fahre gerne an die See und möchte bald einmal richtig ausspannen“.

Für die Zukunft wünscht sich Hella Tietz, dass sich mehr Normalität beim Umgang mit Rheuma durchsetzt. „Lieber direkt und offen fragen, als im Stillen Vermutungen anstellen“, gibt sie anderen als Rat.

„Außerdem wünsche ich mir, dass die medizinische Forschung weitere Fortschritte macht, damit in Zukunft noch mehr Menschen geholfen werden kann. Aber grundsätzlich ist es für jeden Betroffenen wichtig, eine Haltung zur eigenen Erkrankung zu entwickeln. Man muss sich entscheiden, ob die Erkrankung das Leben im Griff hat oder man selbst seine Erkrankung.“

Stefanie Gerhardt

Stefanie Gerhardt und Gasthaus Rehwinkel

„Rheuma ist, wenn man trotzdem lacht.“

Dieser Satz kennzeichnet die Lebenseinstellung von Stefanie Gerhardt. Die 24-Jährige Hotelfachfrau aus Titisee im Schwarzwald beschreibt sich selbst als einen lebensfrohen Menschen, der trotz Krankheit nie vergessen hat, das Leben in all seinen Facetten zu lieben. Die Krankheit, von der sie dabei spricht, ist die juvenile ideopathische Polyarthritis – eine chronisch entzündliche Form von Rheuma, die bereits Kinder oder Jugendliche betrifft.

Bei Stefanie Gerhardt begann alles mit 14 Jahren, als sie plötzlich starke Schmerzen im rechten Handgelenk bekam. Nach einer Blutuntersuchung stand die Diagnose „Rheuma“ fest – und eine gezielte Behandlung wurde eingeleitet. Obwohl mit der Zeit weitere Gelenke betroffen waren, lernte Stefanie Gerhardt mit der Erkrankung zu leben. Deshalb ließ sie sich auch nicht von ihrem Berufswunsch „Restaurantfachfrau“ abbringen, als ihre Eltern, die selbst ein Gasthaus betreiben, skeptisch waren, ob sie den hohen Belastungen standhalten kann. „Ich habe die Zähne zusammengebissen, viel aufs Spiel gesetzt und diese Ausbildung mit einigen Hürden gemeistert“, sagt die Schwarzwälderin. Bis es soweit war, musste die 24-Jährige aber auch Rückschläge hinnehmen. Denn als sie während ihrer Ausbildung einen Schub erlitt, ließ das Verständnis ihres damaligen Arbeitgebers nach. Sie musste die Ausbildung nach eineinhalb Jahren abbrechen und den Betrieb verlassen. Gemeinsam mit ihren Eltern suchte sie nach Alternativen und fand schließlich eine naheliegende Lösung: Sie schloss ihre Ausbildung im Betrieb ihrer Eltern ab.

Gesagt, getan. Heute kann Stefanie Gerhardt nicht nur auf eine abgeschlossene Ausbildung als Restaurantfachfrau, sondern auch auf einen zusätzlichen Abschluss als Hotelfachfrau und einige Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Sie ist nach einer Station als Rezeptionsleiterin in einem großen Hotel vor kurzem erneut in den familieneigenen Betrieb „Gasthaus Rehwinkel“ mit eingestiegen, wo sie für Reservierungen, die Rezeption und Buchhaltung zuständig ist. Hier bekommt sie die volle Unterstützung ihrer Eltern und ihrer Kollegen. Zum Beispiel wurde der Frühstücksdienst so umgestellt, dass eine Mitarbeiterin schon früher kommt und ihr Handgriffe abnimmt, die die junge Rheuma-Patientin nicht selbst tätigen kann. Wenn schwere Dinge zu tragen sind, übernehmen dies andere für sie. Für Arzttermine und Krankengymnastik wird schnell eine Vertretung gefunden. Berührungsängste von Kollegen sind längst verschwunden und es wird offen mit der Erkrankung umgegangen. „So ist ein Miteinander entstanden, das sicher stellt, dass ich in meinem Traumberuf arbeiten kann. Ein tolles Gefühl!“, findet die Hotelfachfrau. Als nächstes plant sie, ihren Arbeitsplatz ergonomisch einzurichten, wofür sie auch das Preisgeld für den Gewinn des RheumaPreises verwenden möchte.

Auch privat kommt Stefanie Gerhardt mit ihrer Erkrankung gut zurecht. „Es gibt gute und schlechte Tage, aber wer hat die nicht?“ lautet ihre Feststellung. Rückhalt und Unterstützung bekommt sie von ihrem Freund, mit dem sie seit längerem zusammen ist. In ihrer Freizeit engagiert sie sich außerdem ehrenamtlich für die Rheuma-Liga. Als Landesjugendsprecherin von Baden-Württemberg und Gesprächsgruppenleiterin der jungen und junggebliebenen Rheumatiker in Freiburg sieht sie ihre Aufgabe darin, anderen Menschen mit Rheuma Mut zu machen. „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen“ – dieses Motto möchte sie anderen weitergeben.